Der Flagellanten-Wettlauf

#metoo vs #ihave: wenn männer am social-media-marktplatz zum flagellanten-wettkampf antreten, ist das ein bissi sehr billig


bei aller anerkennung für männer, die sich mit #ihave als besserungs- und lernfähig outen wollen:

ein bisserl wirkt das mittlerweile wie das „beicht-flagellanten-wettrennen“ meiner einstigen – katholischen – mitschüler. die mussten auch unbedingt etwas zum beichten vorweisen können, weil einer, der nix beichtet, doch ganz gewiss was verschweigt. und je übler, tat, wort oder gedanke, umso umfassender und strahlender die absolution.

#ihave funktioniert genau so: wurscht, was man gerade am marktplatz „gesteht“: man(n) ist sich der absolution qua like & herzen gewiss.

eine subtil-infame – und vielleicht nicht einmal bewusst gefahrene – doppelstrategie: ich kann – endlich – ganz laut und allenallenallen erzählen, was für ein echter kerl-kerl ich in den kerl-kerl-zeiten schon irgendwie auch war. aber weil ich heute öffentlich reue zeige, bin ich in meiner aktuellen pc-peergroup mindestens genauso super, wie ich es als kerl in meinem früheren soziotop war. und zwar sogar in den augen der frauen.

ob ich mich bei den menschen (egal ob männer oder frauen), die ich durch meinen arschlochismus (in welcher form auch immer) verletzt, gedemütigt oder schlechtgemacht habe, je persönlich entschuldigt habe?
irrelevant: die crowd ruft „absolvo te“ – und gut ist es.

ich selbst?
ich hatte einfach glück: #metoo blieb mir erspart.
aber vermutlich – ziemlich sicher sogar – habe ich auch arschlochnummern hingelegt. und wurde gearschlocht.

trotzdem käme ich mir schäbig vor, den kraftakt, den ein #metoo, dieses ausbrechen aus dem schweigen aus den aufokktruierten schuldgefühlen & der scham für so viele opfer von übergriffen bedeutet, durch (m)ein billiges #ihave zu relativieren. es kleiner zu machen. mir applaus zu holen:

wenn und wo ich scheisse gebaut habe, tut es mir leid.
wo ich es gemerkt habe (oder wo es mir heute bewusst wird/ist), bitte ich die, denen gegenüber ich es getan habe, um entschuldigung. persönlich.
wo ich es noch immer nicht erkannt habe, bitte ich um hinweise: ich möchte dem/der verletzten in die augen sehen, wenn ich mich entschuldige. face 2 face. direkt. ich vestecke mich da auch nicht vor dritten – wenn es dem/der gedemütigten ein anliegen ist.

aber: ich peitsche mich nicht öffentlich selbst am marktplatz aus, lasse mich dafür von den selbsternannten tugendwächtern der crowd von aller schuld frei sprechen und loben (und kassiere hinterrücks vielleicht auch noch männerkumpelndes „passt schon“-augenzwinkern) – und erspare mir das, worauf es wirklich ankommt: denjenigen, denen ich weh getan habe, beim wort „es tut mir leid“ in die augen zu blicken.

das ist nämlich zu einfach.