Trainspotting: Schaffnerlos im Railjet

Trainspotting: Schaffnerlos im Railjet

Nein, ich prügle nicht lustvoll-blind auf die ÖBB hin. Schon gar nicht auf das Personal am Zug: Als „Schaffner“ (ok: „Zugbegleiter“) kriegt man nämlich für all jene Dinge die Watschen, die von ganz anderen verbockt & verursacht werden. Aber wo, wenn nicht in einem knacke- bis übervollen Railjet braucht man Zugschef, Zugbegeleiter oder Schaffner? Eben – doch manchmal reist man dann halt schaffnerlos. Eine Momentaufnahme.

Wenn im seit Tagen komplett ausreservierten Railjet – erwartungsgemäß – irgendwer auf deinem reservierten Platz sitzt, und erst nach längerer Diskussion „ausnahmsweie“ Platz macht und sich dann im Gang breit hinfläzt.

Wenn er mit seinem Reisegefährten dann Tickets vergleicht – und du siehst, dass die beiden (und ihre Gruppe) Tickets mit Zugsbindung an einem anderen Tag und zu einer anderen Zeit haben – und zwar für die 2. Klasse.

Wenn Du denkst, „na vielleicht haben sie ja aufgezahlt“ und dich trotzdem wunderst dass es in der ersten Klasse jetzt Gang-Steh- und Gang-Sitzplätze gibt, ohne dass der Zugsbegeleiter was sagt.

schaffnerlos

©Tom Rottenberg

Wenn derselbe sich zwischen Wörgl und Salzburg kein einziges Mal blicken lässt (und auch schon am Weg von Innsbruck bis Wörgl angeblich nie zu sehen war.)

Wenn die Zugskellnerin bedauert, dass das Zugsbistro im schon vor Tagen komplett ausreservierten Zug schon in Innsbruck ratzfatz leergegessen gewesen sei.

Wenn die beiden im Vorraum sitzenden Kern-Tiroler schon zwischen Wörgl und Kufstein über Fußball, Neuwahlen, US-Aussenpolitk, den Syrienkonflikt, Putins Gedanken, Wirtschafts- und Migrationspolitik, den Spartan-Run, Bundespräsidentenbesoldung und – wortwahl, ORF-Programm und -Belegschaft, über Klimawandel, Frauenpolitik, Lawinenschutz und Flugsicherheit bis zu Terrorismus und dem „eisernen Besen“ Sebastian Kurz alle Themen schon mindestens einmal durchdekliniert haben.

Wenn sie in jedem Thema unwiderlegbare Experten sind – und die Welt daher mit ihrer Expertise so laut beglücken, dass sogar der ehemalige Ski-Star am Platz vor dir leise jammert, dass ihm jetzt gleich die Ohren abfallen und sein Hirn ob derart luzider Brillanz schon geschmolzen ist …

.. dann sitzt du irgendwo mit mir in diesem Railjet  und überlegst zum ersten Mal in deinem Leben, ob du nicht doch ein Auto kaufen solltest.

 

schaffnerlos

©Tom Rottenberg

SCHAFFNERLOS-EDIT 1

Weil ich – quasi live – auf Facebook jammerte,  schlug jemand vor, ich solle eben Oropax & Headphones nehmen. In der Theorie gut – in diEsem Fall aber unbrauchbar:
Meine Antwort: Haben Oropax & Headphones  zur Folge, dass Leute mit gültigen Tickets für diesen Zug und dies Zugsklasse (aber eben ohne Reservierung) zumindest eine Chance auf einen Platz haben? (sobald wer aussteigt, sitzt der Nächste der Gruppe).
Und vor allem: blenden Oropax neben dem Schnarchen Gruppenchefs auch sein Rülpsen, den Rauch- und Ungepflegtgeruch von ihm und seiner Kleidung und sein permanentes (auch wenn er wach ist) Furzen aus?

SCHAFFNERLOS – EDIT 2

Ab Salzburg gab es dann doch wieder Nahrung am Zug. Der Gruppenchef wird von seinem Clan eifrig betreut und mit Nahrungsbestellungen versorgt.
Pro Löffel einmal Rülpsen und aufstoßen. Schmatzen sowieso.
Soeben fragt die Uni-Lektorin von hinter mir, ob diese Leute von irgendwem bezahlt hier reingesetzt wurden, um jedes – restlos jedes – Stereotyp zu bestätigen…
Schaffnerlos

©Tom Rottenberg

SCHAFFNERLOS – EDIT 3

Bis zum Aussteigen in Wien hat niemand nach Tickets gefragt. (Normalerweise ist ab Salzburg neues Zugpersonal an Bord – und fragt entweder „zugestiegen“ oder schaut die Tickest nochmal an.)
Ich war zwischen Linz & St.Pölten (oder war es St.Pölten – Wien?) einmal hinten beim Office des Zugbegleiters: Er saß da und las Zeitung.
Beim Aussteigen fragte mich einer aus dem Clan, ob die Tickets der Familie auch in Wien in den Öffis gelten würden.
Nur aus Neugierde sagte ich „let me have a look“: 2.Klasse, Bis Salzburg, Zugbindung. gestern oder vorgestern. 2 Personen. Vor mir standen vier Menschen.#weilswurschtist
  • Reinhard Dorner

    Das ist heavy! Melde dich nächstes mal – ich fahr oft per Auto auf der Strecke und nehme dich gerne mit
    Reinhard